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Unsere Geschichte

Die Entwicklung des Gebäudekomplexes Markt/Kornmarkt der Familie Tubbesing von 1983 bis 2013

Ausgangslage und Planung

Im März 1981 begann die Familie Tubbesing mit den Umbau- und Sanierungsarbeiten in dem Objekt Markt/Kornmarkt, nicht ahnend, dass die Umsetzung eine Reihe abenteuerlicher Überraschungen bereithalten würde.

Nach einem Deckeneinsturz 1980 im Bekleidungshaus Diekmann kam es zu Überlegungen, den gesamten Komplex am Markt abzureißen. Öffentlich geführte Auseinandersetzungen um den hier geltenden Bebauungsplan und seine strengen Auflagen waren die Folge.

In Zusammenarbeit mit dem Bezirksdenkmalpfleger erarbeiteten die Töchter von Harro Tubbesing, der bis 1971 Inhaber des Bekleidungshauses Diekmann war, eine neue, aufwendige Lösung, die den Erhalt und die Sanierung des gesamten Komplexes vorsah. Das Architekturbüro Wagner/Bardelle wurde mit der Erstellung umfangreicher Konzepte und detaillierter Pläne beauftragt, durch die ein attraktives Zentrum im Herzen unserer Stadt geschaffen werden sollte. Zu den Bedingungen, die in das Planungskonzept zwingend aufzunehmen waren, zählten die Verwendung der historischen Bausubstanz sowie die harmonische Einfügung in die vorhandene Umgebung. Besondere Berücksichtigung sollte dabei die Schaffung von Wohnraum finden, da bereits Anfang der 80er Jahre bedeutende Wohnraumnot in Göttingen herrschte.

Im Bauantrag wurde daher in umfangreichen Dokumentationen das politische Wollen der Ratsparteien in allen Einzelheiten berücksichtigt. Nach schwierigen Planungen, Verhandlungen und Auseinandersetzungen mit Bauverwaltung, Bauausschuss und Denkmalpflege der Stadt wurde eine attraktive Lösung erarbeitet.

In Übereinstimmung mit der Denkmalpflege sollten Grundkonstruktionen sowie die Fassaden der Häuser Markt 7 (Café Gartenlaube) und 8 erhalten bleiben bzw. in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Die Fassaden sollten von ihrer Bemalung befreit, das vorhandene Sichtfachwerk beim Haus Nr. 8 wieder herausgearbeitet und die ursprünglich klassizistische Fassade beim Haus Nr. 7 (Café Gartenlaube) rekonstruiert werden. Das Diekmann´sche Haus sowie die beiden Böselmann´schen Häuser (beide über 600Jahre alt) an der Ecke Kornmarkt sollten entgegen ursprünglicher Planungen erhalten werden, da sie in ihrer Altertümlichkeit einen wertvollen Beitrag zum Stadtbild leisten.

Im Erdgeschoss des Komplexes sollten vor allem Ladenflächen entstehen, im Eckhaus Markt/Kornmarkt auch in der ersten Etage. Das zweite Obergeschoss war für eine Arztpraxis und mehrere Büros vorgesehen. Daneben sollten in einem bereits vorhandenen Anbau wie auch im dritten Stock Wohnraum entstehen. Das Innere des Grundstücks sollte durch zwei Zugänge vom Markt und Kornmarkt, die in einen Innenhof münden, zu erreichen sein.

Ansicht der Fassaden Markt und Kornmarkt 1983:

 

Umbau- und Sanierungsphase

Im März 1981 erfolgte die Entlastung der gesamten Bausubstanz, der Komplex wurde entkernt und das Fachwerk völlig freigelegt, um eine solide Basis für eine mustergültige Sanierung von den Fundamenten an zu schaffen. Sowohl die Fassaden als auch das hölzerne Innenleben stehen unter Denkmalschutz. Tragende Balken durften daher nicht entfernt werden. Glücklicherweise wies die Altbausubstanz gute statische Voraussetzungen auf. Dennoch mussten aufwendige Verstärkungen durch Unmengen von Baustahl vorgenommen werden, um besonders den gewerblichen Anforderungen Rechnung zu tragen.

Die Entdeckung des gotischen Kreuzgrat-Gewölbes

Im Verlauf dieser Baumaßnahmen sollte man laufend auf Überraschungen stoßen. Unter Mörtel und Schutt verborgen stieß man bei Ausgrabungsarbeiten eines bis dahin vermuteten Kriechkellers im Haus Markt 8 auf zwei im 13. Jahrhundert erbaute gotische Kreuzgrat-Gewölbe sowie ein gotisches Tonnengewölbe, die in ihrer weiten Verzweigung das älteste noch erhaltene Gebäude im Göttinger Stadtbereich markieren. Es soll kurz nach der Stadtgründung im Jahre 1210 errichtet worden sein. Durch vollständige Ausgrabung und Freilegung kamen hier wertvolle Funde zutage: alte Feuerstellen, die der Stadtforschung wichtige Aufschlüsse vermittelten. Taufsteine und eine Vielzahl von Glas-, Keramik-, Metall- und Münzfunden. Daneben wurden überaus bedeutende Objekte des 16. Jahrhunderts aus bis zu 4 Meter tiefen Schichten geborgen. Unter dem Betonboden des angrenzenden Hauses Markt 8 wurde nachträglich ein Kloakenrest mit etwa 200 Gefäßen, mehr als 50 bemalten Tellern und 200 Gläsern entdeckt.

Zu den Raritäten unter den Funden zählt ein äußerst seltener „Malling-jug“, der der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zugeordnet wird. Nach heutigen Erkenntnissen wurde dieser blau glasierte Zylinderhalskrug, ein luxuriöses Tafelgeschirr aus dem späten Mittelalter, in Antwerpen gefertigt und trug vermutlich ehemals eine Silbermontierung (Quelle: Betty Arndt: Lifestyle. Nachweise für Luxus im spätmittelalterlichen Göttingen?; Lübecker Kolloquium zur Stadtarchäologie im Hanseraum VI: Luxus und Lifestyle, 2008). Außer in den Niederlanden und Großbritannien sind nur wenige dieser Gefäße bekannt. In Deutschland wurde nur je ein Exemplar in Lübeck, Greifswald, Rostock und eben in Göttingen im Kreuzgewölbe unter dem Haus Markt 8 gefunden (Quelle: Edgar Ring: Luxuriöses Tafelgeschirr aus Antwerpen, 2006). Auch der so genannte „Bartmannskrug“, eine glasierte Keramik, wurde hier in einer Qualität gefunden, wie sie nur selten existiert.

Neue städtebauliche Akzente im alten Gewande

Nach zwei Jahren angestrengter Bautätigkeit war es dann endlich soweit. Die ortsansässigen Tageszeitungen berichteten ausführlich über „Das schöne Haus am Markt und Kornmarkt“ im Herzen unserer Stadt. Am 07. Mai 1983 wurde der Komplex mit einem zünftigen Frühlingsfest seiner Bestimmung übergeben.

Das neue Gesicht des Kornmarktquartiers 1983 mit dem original nachgebauten Balkon Ecke Markt/Kornmarkt (links im Bild):

Das angestrebte Marketing-Konzept war in allen Punkten erfolgreich ohne öffentliche Zuschüsse umgesetzt worden: Kleine Geschäfte und Büros statt riesiger Verkaufsflächen standen für einen gesunden Branchen-Mix. Großzügiger Wohnraum war im Stadtkern in einem Areal geschaffen worden, das bislang ausschließlich der gewerblichen Nutzung vorgesehen war. Aber auch optisch war durch die Umgestaltung des Komplexes ein neues Gesicht für das Kornmarktquartier entstanden. Ein Blick auf die Fassaden zeigte, dass die Aufteilung der Häuser am Markt/Kornmarkt jetzt eine andere war. Was in den 50erJahren zu zwei Häusern zusammengefügt worden war, präsentierte sich nun – ganz im ursprünglichen Sinne – als vier eigenständige Einheiten, die sich durch ihre unterschiedliche Fassadengestaltung voneinander absetzten. Glasfronten kombiniert mit Graugusssäulen mit Ornamentik, die im Innern des Gebäudes vorgefunden worden waren, wechselten sich jetzt mit Fachwerk oder klassizistischer Putzfassade ab. Historische Bauelemente, teilweise aus dem Gebäude entnommen oder vom Städtischen Museum zur Verfügung gestellt, waren liebevoll in das Gesamtbild eingearbeitet. Geradezu reizvoll wirkte jetzt der Balkon an der Ecke von Markt zu Kornmarkt, der originalgetreu nach alten Fotographien bis ins letzte Detail nachgefertigt worden war. Zwei neu geschaffene Passagen - eine vom Markt, eine vom Kornmarkt - führten in einen entkernten und begrünten Innenhof.

Ein gesunder Branchen-Mix

Im Herzen unserer Innenstadt war ein Shopping-, Büro- und Wohnzentrum entstanden, das seinerzeit beispielgebend für unsere Region war. Während in den oberen Etagen vorwiegend die Wohneinheiten und Büros angesiedelt waren, war im Erdgeschoss ein lebendiger, attraktiver Treffpunkt entstanden, der für jeden etwas bereithielt.

Mehrere Boutiquen (Teichmann, Watzke, LEI, Beneton 012) wechselten sich mit einem kreativen Friseurteam (Küster) und einem Polster- und Einrichtungshaus (Richter) ab. Eine Croissanterie für französische Backspezialitäten (Crossi) sowie ein Lebensmittelgeschäft mit ausgesuchten Delikatessen (Axels Frische-Ecke) ergänzten das neue Gesicht des Kornmarkt-Quartiers. Auch gastronomische Treffpunkte sollten für eine Bereicherung des Angebots in der Innenstadt sorgen. Ein Restaurant (Kreuzgang), dessen Ambiente ganz auf die Umgebung abgestellt war, entstand in den Räumen des freigelegten gotischen Kreuzgrat-Gewölbes. In der Passage fand man eine Musik-Kneipe (Cha-Cha) als Treffpunkt für Jung und Alt.

Und in das Haus Markt 7 neben der Universitätsapotheke zog ein gemütliches Café mit begrüntem Innenhof ein. Und genau dort findet man es heute noch: die gute alte Gartenlaube.

Das Gesicht des Kornmarktquartiers heute

In den vergangenen 30 Jahren haben eine Reihe anderer Unternehmen immer wieder für eine ungebrochene Belebung des Komplexes gesorgt, einige ursprüngliche blieben erhalten. Das angestrebte Konzept, ein gesunder Branchen-Mix in Kombination mit Büros und attraktivem Wohnraum, ist bis heute im Herzen unserer Stadt verwirklicht und erhalten geblieben.

Mit nicht unerheblichen Anstrengungen und Investitionen ist das Gesamtbild, stets unter Beachtung und Einhaltung denkmalschutzrechtlicher Vorgaben, sowohl technisch als auch optisch erhalten und verbessert worden. Auszeichnungen vom Niedersächsischen Sozialministerium (Bauen und Wohnen in alter Umgebung) für die Renovierung der Gebäudegruppe Ecke Markt/Kornmarkt sowie von der Stadt Göttingen für die Renovierung der Althaus-Fassaden haben diesen Anstrengungen Rechnung getragen.

Im Mai 2000 sind die Räumlichkeiten der Gartenlaube durch einen Anbau in den Garten hinaus erweitert worden. Seine individuelle äußere Bauweise soll die Balkenführung der umliegenden Fachwerkfassaden unterstreichen. Innen fügt er sich harmonisch in die vorhandene Gemütlichkeit der alten Räume ein.

Im Mai 2013 feiert der Häuserkomplex Markt/Kornmarkt den 30. Geburtstag seiner Sanierung. Eine Foto-Ausstellung im Haus Markt 8 gibt dem interessierten Besucher in eindrucksvollen Bildern einen Überblick über die Entwicklung der vergangenen Jahre.

Das Beleuchtungskonzept

In jüngster Zeit sind die reich verzierten Fassaden durch ein Beleuchtungskonzept aufgewertet worden und präsentieren sich so dem Betrachter Abend für Abend in ihrem historischen Reiz.

 

Damals und jetzt

Die imposante Entwicklung, die der Häuserkomplex in den vergangenen 30 Jahren erfahren hat, zeigt die folgende Gegenüberstellung der ursprünglichen Bausubstanz mit dem aktuellen Erscheinungsbild.

Eckhaus Markt/Kornmarkt vor 1983 (links) und heute (rechts):

 

Ansicht der Häuser Markt 7 und 8 vor 1983 (links) und heute (rechts):

 

Bereich der heutigen Kornmarktpassage vor der Sanierung vom Innenhof betrachtet (links). Heute findet man hier die Boutiquen L`UOMO und Bellissima (rechts):

 

Das entkernte Gartenhaus im Hinterhof während der Sanierung (links) und seine Einfügung in den heute begrünten Innenhof (rechts):

 

Ansicht der Hofseite des Hauses Markt 7 vor der Sanierung (links) und heute (rechts). Im Jahr 2000 ist ein Anbau (Café Gartenlaube) hinzugefügt worden, der durch seine individuelle Bauweise die Balkenführung der Fachwerkfassaden aufnehmen soll:

 

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